Gastvortrag Dr. Inci Bozkaya (Freiburg i. Üe.): Götterspruch, Totenrede und Zukunftsschau. Zur narrativen Funktion der Unterweltsfahrt im Eneasroman. Di, 30.01.2024, 10-12 Uhr c.t., KG III, HS 3210
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30.01.2024 von 10:00 bis 12:00 |
Name | Dr. Balázs Nemes |
Kontakttelefon | 203-3235 |
Termin übernehmen |
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Der Gastvortrag findet im Rahmen des Hauptseminars "Heinrich von Veldeke: Eneas" statt.
Zusammenfassung:
Die Unterweltsfahrt im Eneasroman von Heinrich von Veldeke ist ein Wagnis für den Helden und eine Irritation für die Rezipienten des Werks. Allein kann der Held den Abstieg nicht bewältigen, die Unterwelt überfordert seine Sinne und seinen Verstand. Der sich ihm eröffnende ‚Schwellenraum‘, in dem Eneas von einem Hindernis zum nächsten getrieben wird, ist ein Raum der Widersprüche. helle – also Hölle – nennt ihn der Erzähler, besiedelt ist er von Figuren der antiken Mythologie. Er umfasst grauenerregende Orte von Mühsal und Qual ebenso wie die prachtvollen Elysischen Gefilde. Nackte Seelen warten am Ufer des Flusses Styx verzweifelt auf ihre Überfahrt bis der schon antike Fährmann Charon sie übersetzt. Dieser ist nicht wie in der lateinischen Fassung von Vergil ein älterer, doch schöner Gott. Stattdessen wird er als Teufel bezeichnet und mit Fell, Klauen und rotglühenden Augen dargestellt. Er weiß von den früheren Besuchen Lebender wie Orpheus und entscheidet entgegen dem antiken Fährmann über das Maß der Buße der Verstorbenen. Die Unterweltsfahrt erweist sich somit als ein Moment mythisch-religiöser Reibungen und Spannungen. Am Ende der Reise bestätigt sich schließlich doch nur, was zuvor auch schon bekannt war: Eneas wird in Italien ein zweites Troja gründen. Warum also muss Eneas überhaupt in die Unterwelt, wenn ihm sein Ziel doch ohnehin schon seit Jahren vorherbestimmt ist?